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Klaus-Dieter Schönewerk

Eva Schönewerk

Leben

Liebe muss der Wahrheit Schwester sein

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... Aber man sieht eben nicht nur mit dem Auge. Wenn die Seele, warum auch immer, sich nicht geöffnet hat, dringt nix ins Bewusstsein. Und das geht schnell, wenn alles verstellt ist von Sorgen und Problemen. Ich glaube, daß ich deshalb schon immer schreibe — sehen wollen, die Seele freimachen für das, was vor ihr, um sie herum ist, eine tiefe Art Entspannung, in der sogar Schmerz eine sanftere Form annimmt ...

... Mein frühestes Erleben von Pflanze und Tier war die Entdeckung, daß alles Lebendige seine eigene Innerlichkeit hat, der man über die Lebens- und Existenzform näherkommen kann. Ich begriff mich als menschliches Wesen tiefer, war aber fern davon, alles zu vermenschlichen. Es hat mich frühzeitig die tiefe Achtung vor dem anderen Sein gelehrt. So wurde mir bewußt, daß ich auch den Menschen nur durch mich, aber wiederum als ganz anderen sehen muß ...

... Wer denkt an den anderen? Wer sorgt sich nicht nur im Reden? Wer redet weniger, wenn er sieht? Wer kann sich freuen, aber nicht zu laut? Wer kann still sein, aber nicht zu lange? Wer fragt nach Gedanken, nicht nur: Wie geht´s? Wer erzählt mehr von sich als er vom anderen hören will? Wer will mit Neugier sich oder den anderen bewegen? Wichtig ist, dass man nicht vergißt. Andere Rezepte gegen den Tod gibt es noch nicht. Nicht die beste Religion vermag mir Besseres zu geben. Viele ihrer unterscheiden sich da in ihrer Eitelkeit gar nicht. Diese Wahrheit nimmt man von Toten und gibt sie Lebenden ...

... Klarheit und Geheimnis — der Mensch braucht beides ...

... Die stärksten Schuldgefühle kommen nicht von falschem Tun – sondern von Nichtgetanem, Unterlassenem ...

Eva Schönewerk

Eva Schönewerk

im Tierpark Berlin

Mein erstes Gedicht

Ich werde euch von einem Städtchen erzählen. Es folgt den Windungen eines Urtsromtals. An den Hängen schieben sich Häuser nach oben, teils in die dichten Wälder mutig eindringend, andere sich fast zur Spitze von Dach zu Dach stützend.

Auf den Gipfeln Burgen, drei sichtbare, wieviel zerfallene – jede stolz ihr eigenes Gesicht. Durch das Städtchen fließt ein kleiner Fluß – Vor dort her haben die flachen Wiesen im Tal ihr saftiges Grün, die Bäume ihre breiten Kronen. An den Berghängen sind hunderte Gruben, in denen Jahrtausende sich in kleinen Kalkmuscheln abgelagert haben. Kinder sammeln sie im Spiel nebenbei, stecken sie in den tiefen Schacht ihrer Hosentasche.

Ich kam aus dem Schulhort. Auf dem Weg heimwärts mußte ich an vielen solcher Kalkspalten vorbei. Man kann sich in Höhlen hocken und einen Blick auf das Städtchen von oben werfen. Erst hinter dem dichten Buchenwald war ich zuhause.

Auf der anderen Seite des Tals wurzelte der Nadelwald, in diesem fruchtbaren Beckentrafen sich alle Formen von Wäldern. Im Tal sah man neben alten Häuschen die neuen helleren Gebäude. Lärm einer Schmiede vermischte sich mit den Sirenen der zwei kleinen Fabriken. Seitwärts klirrte das Geschirr der pflügenden Bauern. Seltsames Gemisch alter Bilder mit dem Wachsenden.

Über diese kleine Stadt hat eine Prinzessin, volksverbunden und tierliebend, ihr erstes Gedicht geschrieben, später einziges Heimatlied.

In mir summte ein Lied für diese Stadt. Es musste besser werden.

19. August 1996, drei Jahre nach dem Tod von Irene

Als sie geboren wurde, habe ich nachts vor der Tür gestanden, in den dunklen Himmel gesehen, Sternbilder geguckt und auf den wandernden Lichtpunkt gewartet – und als er kam und seinen Bogen zog – wußte ich von ihr, - für mich war es zu weit – aber von ihr wußte ich, daß sie, wenn sie in meinem Alter ist, sich nichts anderes mehr wünscht, als dort oben zu fliegen – nur sie wird diesen Weg suchen – es war für mich eine traurige Minute, weil ich ihre Trauer kannte, weil ich die Sehnsucht spürte und weil ich in diesem Moment begriff, daß ich eines Tags, eines Nachts wieder so stehen werde, nur mit dem Unterschied, daß ich dann ihr Gesicht, ihren Namen kenne, und daß ich – während ich ihr guten Flug wünsche, an diesen Augenblick meiner Kindheit denken werde; daß ich dann meine Sehnsucht mit dem Ergebnis vergleichen werde – ich nahm mir vor, wenigstens das wichtigste Gefühl in mir zu erhalten – nicht Freiheit, Liebe, Glück – es war ein Gefühl von GERECHT sein – Was das ist, weiß ich nicht – aber ich fühle die Risse, Stiche, Wunden, die mir diese Bemühung eingebracht hat – und bin es doch einigermaßen zufrieden.

21.10.1998

woher komm ich
wer bin ich
wohin geh ich
wer das nicht tut, lebt mit ärzten und psychiatern